Europäische Auster (Ostrea edulis)

EN: European flat oyster NL: Platte zeeuwse oester DK: Europæisk østers
Kurzbeschreibung Königliches Schalentier mit tragischem Schicksal
Fundhäufigkeit 422 Fundmeldungen , Verbreitungskarte
Status
heimisch Die am Strand angespülten Schalen sind mindestens 80 Jahre alt, vielleicht auch 80.000 (Eem-Zwischeneiszeit).
Klimaanspruch
wohl wenig empfindlich Die Art ist vermutlich gegen Temperaturänderungen wenig empfindlich
Größe und Alter
12 (-18)cm, bis 40 Jahre Meist haben die rundlichen Schalen 10-12cm Durchmesser, sehr selten wurden bei länglichen Exemplaren schon bis zu 18cm gemessen. Anhand der Wachstumsringe an der Innenseite des Schlosses kann man ein Lebensalter sehr dicker Schalen von bis zu 40 Jahren auszählen. Im Durchschnitt werden Austern 10 - 15 Jahre alt.
Aussehen
Rundlich, dickschalig, fein gewellt,U-förmiger Muskeleindruck Rundlich-ovale feste bis extrem dicke Schalen von sehr veränderlicher Gestalt. Die sehr dicke Unterseite (linke Klappe) zeigt eine blätterige Struktur mit feinen Wellen und Riffeln auf der gewölbten Außenseite. Die Deckelklappe (rechte Schale) ist völlig flach und oft perlmuttglänzend. Lebende Exemplare besitzen eine grau-gelbliche bis braune Färbung mit verwaschenen rötlichen Flecken. Die am Strand angespülten Schalen sind durch bodenchemische Vorgänge meist blauschwarz oder rotbraun verfärbt.
Lebensweise Im Wattenmeer gab es knapp 100 Austernbänke von der Niedrigwasserlinie abwärts an den Rändern größerer Priele, wobei die Tiere meist meterweit von einander entfernt auf alten Muschelschalen saßen. Durch Überfischung ist die Auster im Wattenmeer ausgestorben und ist allenfalls noch in Einzelexemplaren (aus französischen Larven) anzutreffen. In extrem kalten Wintern können die Austern im Wattenmeer komplett erfrieren. Dies war 1928/29 der Fall, was zusammen mit der Überfischung der Hauptbestände im tieferen Wasser zum endgültigen Zusammenbruch der heimischen Austernpopulation geführt haben könnte. Wenn eine Auster ein Sandkorn einsaugt, das sie nicht wieder aus der Schale entfernen kann, umgibt sie es mit einem Mantel aus Perlmutt, dem Material der Schaleninnenseite. Solche Perlen sind außer in Austern auch in Miesmuscheln zu finden, oft allerdings erst, nachdem man sie zerkaut hat. Alte Austernschalen sind oft stark durchlöchert, was auf die Tätigkeit des Bohrschwammes zurückzuführen ist. Dieser legt in Kalkstein und Muschelschalen Gangsysteme als Filterkammern zum Planktonfang an. Mit dem Aussterben der Auster ist auch der Bohrschwamm aus dem Wattenmeer verschwunden.
Nahrung Die Auster filtriert wie alle Muscheln Plankton, tut dies jedoch ohne Atemröhren (Siphos), da sie einfach nur die Schalen einen Spalt weit zu öffnen braucht. Sie hat einen großen Nahrungsbedarf, kann jedoch auch schnell wachsen.
Fortpflanzung Austern wechseln in Abhängigkeit von der Wassertemperatur regelmäßig das Geschlecht und sind somit Zwitter. Im Alter von 10 Monaten werden sie zunächst Männchen, wandeln sich aber im Sommer bei Wassertemperaturen über 15° C vorübergehend in Weibchen um. In warmen Seegebieten erfolgt diese Umwandlung alljährlich, in kühleren nur alle 3 - 4 Jahre. In den Zwischenzeiten sind Austern männlich. Die weiblichen Austern strudeln zur Befruchtung ihrer 0,6 - 3 Millionen Eier mit dem Atemwasser Samenzellen ein und verwahren die Eier in ihrer Kiemenhöhle, bis nach 2 Wochen die Larven schlüpfen. Sie schwimmen weitere 2 Wochen im Plankton umher und suchen sich dann - wenn sie nicht gefressen wurden - eine geeignete Anheftungsstelle auf einer Muschelschale oder einem Stein. Aus einer Drüse gibt die Austernlarve einen kleinen Zementtropfen ab, lässt sich mit der linken Schale hineinkippen, und ist für den Rest ihres Lebens an dieser Stelle festgewachsen.
Nutzung Austern sind eine beliebte Delikatesse und wurden schon in der Steinzeit gesammelt. Wegen ihres kulinarischen und kommerziellen Wertes wurden die Austern im heutigen Schleswig-Holstein im Jahre 1587 von König Frederick II. zu königlichem Eigentum erklärt. Jahrhunderte lang durfte die Austernfischerei nur mit königlicher Lizenz ausgeübt werden, und von jedem Fang musste ein Anteil an die Krone abgeführt werden. Da lebende Austern recht robust sind, konnten sie weit transportiert werden. Katharina die Große ließ 1750 Holsteiner Austern nach St. Petersburg bringen, und nach dem Bau der Eisenbahnen wurden Austern bis nach Ungarn verkauft. Der Sylter Meeresbiologe Möbius mahnte 1877: "Die Erhaltung der Austernbänke gehört ebenso zu den Aufgaben des Staates wie die Erhaltung der Waldungen". Dieser Ruf ist leider ungehört verhallt. Heute werden Zuchtaustern in Muschelfarmen mit künstlichen Anheftungssubstraten zur Ansiedlung gebracht. Man löst die Jungmuscheln von den Brutfängern ab und züchtet sie in matratzenförmigen Gewebetaschen (frz. Poches) heran. Massenware wird mit 50 - 100 Exemplaren pro m2 gehalten, Qualitätsaustern verbringen ihre dreijährige Aufwuchszeit mit 4 Tieren pro m2. Die Wildbestände der Auster sind bald nach der Einführung motorisierter Austernkutter in den 1920er Jahren im gesamten Wattenmeer ausgestorben. Seit 1986 gibt es in List/Sylt und auf Norderney Austernkulturen. Dort werden jedoch importierte Pazifikaustern (Crassostrea gigas) großgezogen. Eine großmaßstäbliche Austernzucht mit naturnaher Fortpflanzung der Europäischen Auster findet nur in Westeuropa statt, da dort die Witterungsbedingungen günstiger sind als im Wattenmeer und Austern noch in ausreichender Zahl vorhanden sind. Außerdem sind Austernlarven extrem empfindlich gegen Wasserverschmutzungen, was heute in der Nordsee ihr Überleben unwahrscheinlich macht.
Klassifikation Muscheln
Europäische Auster in der WoRMS-Datenbank
Steckbriefbild:

Bildinformationen: Europäische Auster

Autoren Rainer Borcherding
Lizenzbesitzer Schutzstation Wattenmeer
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Lizenz cc-by-sa 3.0
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